Nach den Oberlandesgerichten Oldenburg und Dresden stellt nun auch das Oberlandesgericht Hamm klar: Käufer eines Senec-Batteriespeichers haben bei nachträglicher Leistungsdrosselung Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag. In dem Verfahren (Az. I-2 U 6/25) beabsichtigte der Senat, die Berufung der Händlerin sowie der SENEC GmbH kostenpflichtig zurückzuweisen, weil eine Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Das Gericht geht sogar von einem unauflösbarer logischen Widerspruch aus, wenn einerseits die Leistungsdrosselung als eine von der Beschaffenheit des Batteriespeichers unabhängige Vorsichtsmaßnahme bezeichnet wird, andererseits aber deren produktsicherheitsrechtliche Unabdingbarkeit betont wird. Auch in diesem Verfahren hat daraufhin die Händlerin und Senec die Berufungen zurückgenommen, sodass das Urteil des Landgericht Siegen (Az. 8 O 57/24) vom 09.12.2024 rechtskräftig wurde.
Worum ging es in dem Fall?
Dem Verfahren lag erneut ein Batteriespeicher der Marke Senec-Home V3 hybrid duo (10 kWh) zugrunde. Nach mehreren Bränden baugleicher Speicher drosselte Senec per Fernzugriff die Kapazität auf 70 %. Der Kläger erklärte daraufhin den Teilrücktritt vom Vertrag. Das Landgericht Siegen (Az. 8 O 57/24) gab der Klage im Wesentlichen statt. Gegen dieses Urteil legten die Beklagte und Senec Berufung ein – ohne Erfolg. Das OLG Hamm wies im Berufungsverfahren darauf hin, dass die Berufungen keine Aussicht auf Erfolg hätten:
- Verstoß gegen die vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB)
Der Batteriespeicher sollte laut Datenblatt dauerhaft eine Kapazität von 10 kWh leisten. Seit August 2023 arbeitete der Speicher infolge eines von Senec veranlassten Fernzugriffs dauerhaft im gedrosselten Modus von 70%. Auch wenn „10 kWh“ als „maximal“ bezeichnet wurden, ist ein Speicher, der die höchstmögliche Speicherkapazität nie erreicht, was infolge der Drosselung der Fall ist, objektiv mangelhaft. Ein Mangel liegt in dem mit der Drosselung einhergehenden Leistungsdefizit gegenüber dem Vertragssoll, auch wenn der Speicher durch die Leistungsreduzierung noch gänzlich nutzlos ist.
- Mangel war bereits bei Gefahrübergang vorhanden (§ 434 Abs. 1 BGB)
Zwar lief der Batteriespeicher nach Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage zunächst im Regelbetrieb und erreichte die vereinbarte Speicherkapazität. Bereits der Umstand, dass der vom Kläger erworbene Batteriespeicher einer Leistungseinbuße unterliegt, deren Ursache in der seit der Herstellung unveränderten Beschaffenheit liegt, ist isoliert betrachtet einen Sachmangel iSd § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB.
„Das mit der Drosselung einhergehende Leistungsdefizit hat seine Ursache mithin in der seit Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage unverändert gebliebenen Beschaffenheit des Batteriespeichers und war bereits bei Gefahrübergang angelegt.“
Die Ursache für die spätere Drosselung war bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs, bei Übergange, vorhanden. Denn das Gerät hat die Leistungseinbuße ab August 2023 nicht etwa aufgrund einer nachträglichen Verschlechterung seines Zustands erfahren. Vielmehr hat die Streithelferin, deren Fachkunde der Senat als gegeben voraussetzt hat, die seit der Herstellung vorhandene Beschaffenheit der Batteriespeicher zum Anlass genommen, sämtliche Akkumulatoren der streitgegenständlichen Baureihe bis zum Austausch der verwendeten Zellen in den gedrosselten Betrieb zu versetzen, um ihrer produktsicherheitsrechtlichen Pflicht gemäß § 6 Abs. 2 ProdSG nachzukommen. Das mit der Drosselung einhergehende Leistungsdefizit habe daher seine Ursache mithin in der seit Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage unverändert gebliebenen Beschaffenheit des Batteriespeichers und sei bereits beim Gefahrübergang angelegt gewesen, betonten der Senat in seinem Hinweisbeschluss.
- Produktsicherheitsrechtliche Gefahrenlage als Sachmangel
Senec begründete innerhalb des Verfahrens die Drosselung mit produktsicherheitsrechtlichen Pflichten (§ 6 Abs. 2 ProdSG). Der Senat erkennt darin eines „Risiko“ i. S. d. § 2 Nr. 22 ProdSG, welches deutlich über das von Senec als Begründung herangezogene allgemeine „Technologierisiko“ hinausgeht. Wie der Kläger laut des Senates mit Recht bemerkt, haftet der Argumentation der Beklagten und der Streithelferin insoweit ein unauflösbarer logischer Widerspruch an, als sie einerseits die Leistungsdrosselung als eine von der Beschaffenheit des Batteriespeichers unabhängige Vorsichtsmaßnahme bezeichnen, andererseits aber deren produktsicherheitsrechtliche Unabdingbarkeit betonen. Die Drosselung wurde nicht hypothetisch oder vorsorglich veranlasst, sondern als konkrete Maßnahme zur Gefahrenabwehr nach realen Brandfällen.
- Kein bloßer Mangelverdacht – sondern konkret eingeschränkte Gebrauchstauglichkeit
Laut Senat bedurfte es keines Rückgriffs auf die Rechtsfigur des Mangelverdachts. Der Senat sah bereits in dem Umstand, dass der Batteriespeicher nicht bis zur vereinbarten Leistungsgrenze gefahrlos betrieben werden kann einen konkreten Mangel. Der Mangel besteht folglich nicht nur im Verdacht auf ein Risiko, sondern in der tatsächlichen Einschränkung des Gebrauchs.
Der Beschluss betont, dass die Reduktion der Kapazität nicht allein dem allgemeinen Technologierisiko geschuldet sei. Vielmehr habe Senec selbst erklärt, dass sie aus produktsicherheitsrechtlichen Gründen notwendig sei. Ein Rückgriff auf die Figur des „Mangelverdachts“ sei daher nicht erforderlich.
„Die Drosselung war eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr – und damit ein klarer Hinweis auf ein überdurchschnittliches Risiko.“
- Unerheblichkeitseinwand greift nicht (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB)
Der Senat stellte weiter fest, dass der Rücktritt nicht wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen sei. Ein Leistungsverlust von 30 % bei der Speicherkapazität ist erheblich und berührt die Kernfunktion des Speichers:
„Die Speicherkapazität ist die wichtigste Kerngröße eines Stromspeichers und unterschreitet aufgrund der Verringerung um 30 % die vereinbarte Kapazität deutlich.“
Auch die wöchentlichen Zahlungen von 7,50 € („Kulanzleistungen“) aufgrund der fehelenden Nutzbarkeit ändern daran nichts. Der Rücktritt ist das angemessene Mittel, weil die Gebrauchstauglichkeit in einem sicherheitsrelevanten Punkt eingeschränkt ist.
- Händler haftet auch ohne eigenes Verschulden oder Zutun
Dass Senec als Hersteller den Fernzugriff veranlasste, entlastet die Händlerin nicht. Die Verkäuferin muss für die Mangelfreiheit der gelieferten Ware einstehen – unabhängig von der Rolle Dritter (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Rücktritt ist verschuldensunabhängig, ein eventueller Rückgriff bleibt eine Frage des Innenverhältnisses zwischen Händler und Hersteller.
Diese klaren Hinweise des OLG Hamm bestätigen erneut:
✔ Auch eine nachträgliche Leistungsdrosselung stellt einen Sachmangel dar
✔ Käufer haben Anspruch auf Teilrücktritt
✔ Hersteller und Händler haften trotz vermeintlicher „Vorsichtsmaßnahme“
Was können betroffene Eigentümer jetzt tun?
Wenn auch Ihr Senec-Heimspeicher von der Drosselung betroffen ist oder Sie aufgrund technischer Sicherheitsbedenken verunsichert sind, prüfen wir gerne Ihre Mängelgewährleistungs- und Garantierechte.
Von Buttlar Rechtsanwälte ist bundesweit auf Gewährleistungsrechte bei Photovoltaikanlagen und Stromspeichern spezialisiert. Wir haben bereits zahlreichen Mandanten zu ihrem Recht verholfen. Das oben zitierte Verfahren wurde erfolgreich von Herrn Rechtsanwalt Nils Gross geführt.
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